Wohin steuert die Demokratische Partei der Vereinigten Staaten?

Die Zwischenwahlen im November 2014 (Midterm Elections) bescherten der Demokratischen Partei eine gigantische Niederlage. Die Republikanische Partei konnte nicht nur ihre Mehrheit  im Repräsentantenhaus vergrößern, sondern gewann auch Im Senat die Mehrheit, die sie 2007 verloren hatte. Auch bei den Gouverneurswahlen konnten die Republikaner Gewinne verzeichnen und die Zahl der republikanisch regierten Staaten auf einunddreißig erhöhen. Nur siebzehn Staaten sind den Demokraten geblieben. Die Folge ist, dass jetzt die Südstaaten von Texas bis Nordcarolina in republikanischer Hand sind. Dies ist die Situation nach sechs Jahren der Präsidentschaft Obamas. Es sieht nicht gut aus für Obama und die ihm verbleibenden zwei Jahre. Die Popularitätskurve dieses am Anfang seiner Amtszeit so beliebten Präsidenten sank in den letzten Jahren auf ungewöhnlich niedrige Zahlen. Zustimmung findet er noch bei 84% der Afroamerikaner, bei 64% der Asienabstämmigen und 53% der Latinos. Von den Weißen gaben ihm nur 32% ihre Zustimmung. Die größten Verluste erlitt er bei der weißen Arbeiterklasse, die nur noch zu 27% auf seiner Seite steht. Als Zugpferd für seine Partei, das er früher einmal war, hat er längst ausgedient. Fast alle demokratischen zur Wahl anstehenden Kandidaten haben darauf verzichtet, Obama als Wahlhelfer zu Wahlkampfveranstaltungen einzuladen und haben selbst ängstlich vermieden, ihn und seine Politik zu erwähnen. Was ist geschehen, dass sich selbst seine eigene Partei von ihm abzuwenden beginnt?

Als Obama zum Präsidenten gewählt worden war, verkündete McDonnel, der republikanischer Führer im Senat, die wichtigste Aufgabe der Republikaner sei nun, dafür zu sorgen, dass Obama nur eine einzige Amtszeit bekäme. Dieses Ziel haben die Republikaner zwar nicht erreicht, aber es ist ihnen gelungen, jede politische Initiative Obamas zu behindern oder zu verhindern. Es begann mit Obamas Versprechen, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen, wie es auch von der Weltöffentlichkeit gefordert wurde. Als Obama anstrebte, ein Staatsgefängnis in Illinois als Ersatz für Guantanamo bereitzustellen, wurde nicht nur diese Absicht vom Kongress blockiert, sondern auch die Erlaubnis für künftige andere Ersatzgefängnisse. Im Übrigen war außer Uruguay kein anderes Land  bereit, die des Terrorismus Verdächtigten Insassen aufzunehmen. Seitdem heißt es nicht nur in den USA, sondern auch in Teilen der Weltöffentlichkeit, Obama habe schon dieses erste Versprechen nicht gehalten.

Obamas größtes Projekt, seine Gesundheitsversicherungsreform, konnte er nur gegen allergrößte Widerstände der Republikaner durchsetzen. Sie mag Fehler haben, und ihre Einführung war belastet mit technischen Schwierigkeiten, die die Auswahl des Versicherungsplans und die Antragstellung erschwerten. Aber Millionen Amerikaner, die vorher ohne Schutz waren, sind jetzt krankenversichert. Vor allem auch diejenigen, die wegen schon bestehender Krankheiten von keiner Versicherung akzeptiert wurden. Die republikanischen Gegner der Versicherungsreform argumentieren, fünfundachtzig Prozent der Amerikaner wären schon vorher versichert gewesen und die Versicherung aller ginge auf Kosten der schon vorher Versicherten. Mit anderen Worten: Obamas Versicherungsreform habe den Minoritäten geholfen, aber die Versicherungssituation der Mittelklasse verschlechtert. Im Übrigen zeige die Reform wieder die Vorliebe der Demokratischen Partei, einer immer mächtiger und teurer werdenden Regierung zu ermöglichen, sich in die privaten Belange der Bürger einzumischen. Hier liegt ein wichtiger Grund für die Wahlniederlage der Demokraten. Jene, denen ihre Maßnahmen am meisten geholfen haben, sind diejenigen, die aber normalerweise nicht zur Wahl gehen. Die traditionelle Mittelklasse dagegen, auf deren Stimmen es bei Wahlen am meisten ankommt, fühlen sich benachteiligt, wählen republikanisch oder überhaupt nicht.

Der Klimawandel ist ein anderes Problem, das Obama in Angriff genommen hat. Aber auch an ihm scheiden sich die Geister. Republikaner glauben nicht an ihn, oder erklären ihn als ein im Lauf der Erdgeschichte sich immer wiederholendes natürliches Phänomen, das nicht durch menschliche Einflussnahme negativ oder positiv verändert werden kann. Immerhin ist es Obama trotz vieler Widerstände gelungen, die Öffentlichkeit für das Problem der Umweltzerstörung zu sensibilisieren. So wurde ein Abkommen mit China über den Kohlendioxydausstoß getroffen und der Bau einer Ölpipeline, die von Kanada ausgehend die gesamten USA durchkreuzt und das Grundwasser gefährdet hätte, verhindert.

Ungefähr 11 Millionen Ausländer, vorwiegend aus Mexiko stammend, leben illegal in den USA. Letztes Jahr hat der Senat, in dem die Demokraten die Mehrheit hatten, ein Einwanderungsgesetz gebilligt. Es beinhaltete eine massivere Befestigung der Grenze zu Mexiko und einen Weg, der zur Legalisierung des Aufenthaltes und schließlich zum Erwerb der Staatsangehörigkeit für die Illegalen geführt hätte. Obama, der ein Einwanderungsgesetz im Wahlkampf versprochen hatte, freute sich. Allerdings war die Freude verfrüht: Die Gesetzesvorlage scheiterte, weil Boehner, der Führer der Republikaner im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, sich weigerte, über sie abstimmen zu lassen.  Daraufhin erließ Obama im Alleingang, d.h. ohne Zustimmung des Kongresses, ein Dekret (executive order), das ca. fünf Millionen Illegale vor der Deportation schützt. Der Erlass gilt nur so lange bis der Kongress sich über ein eigenes Gesetz geeinigt hat. Nachdem die Republikaner in beiden Häusern die Mehrheit haben, könnten sie schon nächstes Jahr ein neues Einwanderungsgesetz durchbringen und damit das, was sie als erneute Amtsanmaßung Obamas bezeichnen, korrigieren.

Am Beginn von Obamas Amtszeit befand sich die Wirtschaftskrise auf ihrem Höhepunkt. Die Arbeitslosenquote lag bei zehn Prozent. Vor allem das Herzstück der amerikanischen Industrie, die Autobranche, stand vor dem Bankerott. Staatliche Kredite der Obama-Regierung, in Kombination mit staatlich kontrollierten Restrukturalisierung, retteten nicht nur die Autoindustrie, sondern auch tausende von Arbeitsplätzen und trugen schließlich zum allgemeinen Wirtschaftsaufschwung bei, der bis heute anhält. Am Ende des Jahres 2014 boomt Wallstreet, beträgt das Wirtschaftswachstum 3,8 Prozent, ein Mindestlohn wurde gesetzlich festgelegt und die Arbeitslosenquote liegt bei 5,8 Prozent, also auf dem tiefsten Stand seit sechs Jahren. Und dennoch erleiden Obama und seine Demokratische Partei zu diesem Zeitpunkt eine spektakuläre Wahlniederlage. Der Hauptgrund, warum vor allem die Arbeiter unter den Wählern nicht mehr die Demokraten wählen, ist das Gefühl, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei ihnen noch nicht angekommen ist. Die Arbeitslöhne stagnieren seit Jahren und unter den Arbeitslosen gibt es viele, die seit langem vergeblich einen Job suchen. Kein Wunder, dass ihnen Probleme wie z.B. der Klimawandel in ihrer Situation ziemlich gleichgültig sind. Den Glauben an den „amerikanischen Traum“, die Hoffnung, durch fleißige Arbeit zu Wohlstand zu kommen, haben viele verloren. Enttäuscht sind jene, die einmal große Hoffnungen in Obama gesetzt hatten, d.h. die Mittelklasse und vor allem die Schwarzen, die sich mehr Eintreten für ihre Interessen erwartet hatten. Und jene, die Obama schon immer wegen seiner Herkunft und Hautfarbe abgelehnt haben, hassen ihn heute noch leidenschaftlicher. Das ist die Stimmungslage, für die Obama und seine Partei bei den Wahlen die Quittung bekamen.

Bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren steht die Demokratische Partei vor wichtigen Entscheidungen bezüglich ihrer fundamentalen Ideologie und Strategie. Schon oft in ihrer Geschichte hat sie vor gravierenden Umorientierungen gestanden. Geboren ist sie im Geist Jeffersons und seiner Anhänger Ende des 18. Jahrhunderts. Sie wurde damals noch Partei der „Republikanischen Demokraten“ genannt und als Gegenpartei zur Partei der Federalisten konzipiert. Formal gegründet wurde sie 1828  von Andrew Jackson, der im Jahr darauf zum ersten demokratischen Präsidenten gewählt wurde und als solcher das Programm Jeffersons fortsetzte. Dem Ideal der Jeffersonschen Agrar-Gesellschaft entsprechend war sein Inhalt die Interessenvertretung der Südstaaten-Farmer, zu denen die Beibehaltung der Sklaverei gehörte. Außerdem erfüllte die Partei ein tiefes Misstrauen gegenüber einer mächtigen Zentralregierung, von der sie Einmischung ins Privatleben der Bürger und korrumpierende Einflussnahme auf die Wirtschaft befürchtete. Die Gegner der Demokraten schlossen sich zusammen in der Whig Party, zu der demokratische Gegner der Sklaverei stießen. Aus diesem Zusammenschluss entstand 1854 die Republikanische Partei. Innerparteiliche Uneinigkeiten der Demokraten schwächte die Partei und führte 1860 zum Wahlsieg des republikanischen Kandidaten, Abraham Lincoln, der damit zum ersten republikanischen Präsidenten wurde (1861-65). In seine Amtszeit fiel der Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten, der mit dem Sieg der Nordstaaten und der Abschaffung der Sklaverei endete. Die auf den Sezessionskrieg folgende Zeit der Umgestaltung („Reconstruction“) der Südstaaten, Zwangsmaßnahmen bezüglich der Stellung der Schwarzen, Ablegung eines Treueeids,  Steuern, Unterdrückung populistischer Gruppen Ku Klux Klan) u.a. führte zu Ressentiments, von denen die Demokratische Partei profitierte. Die verbitterten Konservativen schlossen sich nicht nur der Demokratischen Partei an – sie wurden ein wesentlicher Teil der Partei und bildeten seitdem den sogenannten „Solid South“ der Demokratischen Partei. Von 1865 bis 1933 gab es insgesamt vierzehn Präsidenten, aber nur drei waren Demokraten: Andrew Johnson, Grover Cleveland, der allerdings zweimal gewählt wurde und Woodrow Wilson. Letzter ist vor allem bekannt durch seine Initiative zur Gründung des Völkerbunds. Innenpolitisch setzte er die den Südstaaten gegenüber freundliche Politik weiterhin fort und favorisierte die Rassentrennung (Segregation).

Die Wende kam 1933 mit der Präsidentschaft Franklin D. Roosevelts. Dieser demokratische Präsident gab seiner Partei ein neues Gesicht, indem er Elemente einführte, die den Abschied von der traditionellen demokratischen Ideologie bedeuteten und die zukunftsweisend waren. Als er sein Amt antrat, herrschte die 1929 begonnene Weltwirtschaftskrise. 1933 waren in den USA über 35 Prozent der gesamten Bevölkerung ohne Arbeit. Mit seiner Politik des sogenannten „New Deal“ (Neumischen der Spielkarten) versuchte er die wirtschaftliche Situation zu überwinden, die gesellschaftlichen Spannungen zu verringern und Arbeitslosigkeit und Armut zu bekämpfen. Staatliche Arbeitsprogramme wurden eingeleitet. Baumaßnahmen an Straßen, Brücken, Schulen und Krankenhäuser usw. schufen Arbeitsplätze für Millionen von Menschen. Banken und Börsen wurden gesetzlich kontrolliert (Emergency Banking Act). Gewerkschaften erhielten das Recht sich frei zu organisieren. Mindestlöhne für Industriearbeiter wurden durchgesetzt. Die revolutionärste Maßnahme liegt auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung: die Proklamierung des sogenannten „Social Security Act“, das heißt die Einführung einer bundesweiten Arbeitslosen- und Rentenversicherung, die über Steuern und Beiträge finanziert wird und bis heute noch existiert. Die von Roosevelt eingeführten Maßnahmen waren nicht nur radikale Neuerungen für die USA, sondern auch für seine demokratische Partei. Jefferson, der geistige Vater der Demokraten, erstrebte eine politische Struktur für die Vereinigten Staaten, in der die Zentralregierung mit so wenig Macht wie möglich ausgestattet sein sollte, so dass sie gar nicht in die Lage käme, in die Wirtschaft und das private Leben der Menschen einzugreifen. Roosevelts Politik brach radikal mit dieser Tradition der demokratischen Partei, und während seine Gegner ihm Sozialismus vorwarfen, errang er bei seiner Wiederwahl 1936 einen Erdrutschsieg. Seine Popularität war so groß, dass er – wie kein anderer Präsident – viermal gewählt wurde.

Selbst die Demokraten der Südstaaten, die weniger liberal als die Nordstaaten-Demokraten eingestellt waren, unterstützten Roosevelt, da sie von seinen Maßnahmen profitierten. Diese Koalition von konservativeren Süd-und liberaleren Nordstaaten-Demokraten hielt an bis Präsident Johnsons Civil Rights Act (1964) die Diskriminierung der Schwarzen, vor allem die Segregation zwischen Weißen und Afroamerikanern, beendete, was auf wenig Gegenliebe bei den Südstaatlern stieß. Dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan gelang es dann, auch mit Unterstützung der von der Demokratischen Partei enttäuschten „Southern Democrats“ 1980 die Wahl zu gewinnen.

Obama und Franklin D. Roosevelt haben eine Reihe Gemeinsamkeiten. Gemeinsam ist ihnen, dass beide ihre Präsidentschaft antraten in einer von Rezession geprägten Zeit. Gemeinsam ist ihnen auch die Tendenz, schwerwiegende Entscheidungen aufzuschieben. Roosevelt zögerte lange bis er sich zum Kriegseintritt gegen Deutschland aufraffte. Obama tut sich schwer, die außenpolitischen Maßnahmen zu treffen, die nötig wären, eine Wende in den Kriegshandlungen in Syrien und im Irak einzuleiten. Konfrontiert wurden beide auch mit dem Vorwurf, das amerikanische kapitalistische Wirtschaftssystem in ein sozialistisches transformieren zu wollen. Roosevelts Vermächtnis für die Nachwelt steht jedoch fest: Es ist vor allem das noch  heute bestehende „sozialistische“ Renten und Versicherungssystem (Social Security ), das für Generationen kapitalismusgewohnter Amerikaner selbstverständlicher und verlässlicher Teil des Lebens geworden ist. Was jedoch wird Obamas Vermächtnis sein?

Die Gegner Obamas gehen so weit zu behaupten, dass er der schlechteste Präsident seit siebzig Jahren sei und glauben, dass es ihm nach dem Ausgang der Midterm-Wahlen bis zum Ende seiner Amtszeit, der jetzt beginnenden, sogenannten „Lame-Duck“-Periode, nicht mehr gelingt, seine Reputation für die Nachwelt aufzuwerten. Sie könnten sich allerdings irren.

Es gelang der Obama-Administration im Dezember den Kongress zur Verabschiedung des Bundeshaushalts für 2015 zu bewegen. Die Republikaner, auf Revanche sinnend für Obamas Alleingang bezüglich der Einwanderungsreform, wollten zunächst dem Etat nicht zustimmen. Doch Obama bot ihnen Zugeständnisse an, denen sie nicht widerstehen konnten, zumal es bei einem Scheitern zu einer Finanzblockade und, daraus resultierend,  einem Verwaltungsstillstand (Shutdown) hätte kommen können, bei dem hunderttausende Beamte in Zwangsurlaub geschickt worden wären. Dafür wollte keine der Parteien die Verantwortung tragen. Erwartungsgemäß wetterte der extrem rechte Tea-Party- Flügel der Republikaner unter Anführung des Senators Ted Cruz, der die totale Konfrontation wollte, gegen die Annahme des Etats. Ironischerweise gab es beim linken Flügel der Demokraten ebenfalls Widerstand gegen die Kompromisse, die Obama und Harry Reed, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, ausgearbeitet hatten. Pensionen wurden gekürzt. Obergrenzen für politische Spenden wurden angehoben und Maßnahmen zur Bankenregulierung wurden rückgängig gemacht. Vor allem Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, hielt ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Zugeständnisse an Banken. Derivate-Händler würden wieder mit Steuergeldern spielen können und würden wieder von der Regierung gerettet werden, wenn ihre riskanten Spiele das Finanzsystem zu zerstören drohten Sie erinnerte daran, wie die Banken 2008 schon einmal die Wirtschaft in die Krise stürzten und Millionen von Arbeitsplätzen vernichteten. Und sie ermahnte die Abgeordneten, dass sie nicht gewählt seien, die Interessen der  Citigroup zu vertreten, sondern die Interessen aller Menschen. Dieser Kampf der linken Demokraten gegen den Etat, auch unterstützt Nancy Pelosi, Führerin der Demokraten im Repräsentanten-Haus, kommt schon einer kleinen Rebellion gleich. Bislang war Hillary Clinton für die Demokraten die unangefochtene Nachfolgekandidatin für Obama. Zu der Kontroverse betreffs Etat hat sie sich mit keinem Wort geäußert. Halten sie strategische Erwägungen davon ab, oder ist es ihre Nähe zu Wallstreet, wie einige ihr vorwerfen? Die Zahl derer, die Warren drängen, sich um die Präsidentschaft zu bewerben, wächst jedenfalls ständig, auch wenn sie selber dies weit von sich weist.

Dass es zur Verabschiedung des Etats im Dezember kam, resultierte aus Obamas Bereitschaft zu einem Kompromiss, in dem er wichtige Positionen seiner Partei aufgab. Das könnte innerparteiliche Folgen haben.  Die Progressiven auf dem linken Flügel fühlten sich ignoriert, und es ist wahrscheinlich, dass die Demokratische Partei künftig nicht mehr mit einer Stimme sprechen kann. Eine gespaltene Partei dürfte 2016 große Probleme bei der Aufstellung eines Präsidentschaftskandidaten haben. Hillary Clinton, bislang von ihrer Partei als unschlagbar erachtet, wird von den Linken zunehmend kritisch gesehen.

Die Gegner Obamas halten ihn für den schlechtesten Präsidenten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie glauben, dass es ihm in den zwei letzten Jahren seiner Amtszeit, der „Lahme Ente“-Periode („Lame-Duck“), auch nicht mehr gelingen wird, sein Vermächtnis für die Nachwelt zu verbessern. Vielleicht irren sie sich hier. Am 16. Dezember ließ Obama eine Überraschungsbombe platzen und verkündete in einer Fernsehansprache, dass die Vereinigten Staaten volle diplomatische Beziehungen zu Cuba einleiten wollen. Vorbereitet wurde dieser Schritt durch päpstliche Vermittlung und geheime Verhandlungen, die Obama 2013 eingeleitet hatte. Als Gründe für diese historische Zäsur führte Obama an, dass der Abbruch der Beziehungen vor über fünfzig Jahrzehnten und das solange andauernde Embargo in Cuba nicht zu einem Regimewechsel geführt hätten. Die Brüder Castro hätten acht amerikanische Präsidentschaften überlebt und es sei absurd, eine Politik fortzusetzen, die in über fünfzig Jahren für das kubanische Volk keine Zunahme an Freiheit gebracht hätte. Republikanische Politiker, vor allem potentielle Präsidentschaftskandidaten, tobten vor Empörung. Nur ein einziger, Paul Rand, stimmt Obamas Begründung zu. Unter den kubanischen Einwanderern, vor allem in Miami, war die Stimmung geteilt. Während die jüngere, nicht in Cuba geborene Generation, die Aufnahme von Beziehungen zu der nur achtzig Meilen entfernten Insel begrüßte und sich eine graduelle Verbesserung der Lebensverhältnisse für die kubanische Bevölkerung verspricht, verharrt die ältere Generation in verbitterter Ablehnung der Annäherung. Vieles spricht dafür, dass sich die Aufnahme diplomatische Beziehungen positiv für die Zukunft beider Länder auswirken und als ein historisches Verdienst Obamas angesehen wird.

Obamas Amtszeit neigt sich dem Ende zu, und zunehmend wird über sein Vermächtnis (legacy) nachgedacht. Was wird später in den Geschichtsbüchern über ihn geschrieben, und welche Bedeutung wird er für die Zukunft der Demokratischen Partei haben? Mit Sicherheit darf man annehmen, dass die Einführung der Krankenversicherung für alle Bürger, offiziell „Affordable Care“ genannt, für immer mit seinem Namen und der Demokratischen Partei verbunden sein wird, so wie „Social Security“ für immer mit dem Namen Roosevelt verbunden ist. Die von Republikanern pejorativ geprägte Bezeichnung „Obama Care“ wird somit eine historische Rechtfertigung und Aufwertung erfahren.

Obwohl der Klimawandel noch immer von vielen bestritten wird, ist die jüngere Generation in ihrer Mehrheit von seiner Existenz überzeugt. Die Sensibilisierung für menschliche Umweltzerstörung und Gegenmaßnahmen waren und sind wichtiges Element demokratischen Politik während Obamas Amtszeit – eine Politik, die zukunftsweisend ist.

Trotz aller republikanischen Obstruktionen kann die Demokratische Partei für die Amtszeit Obamas einige beträchtliche Erfolge vermelden. Nicht zuletzt lässt sich das darauf zurückführen, dass die Partei immer mit einer Stimme sprach und geschlossen auftrat – im Unterschied zur Republikanischen Partei, wo sich Tea-Party-Anhänger oft im Konflikt mit Establishment-Republikanern befanden. Erste Anzeichen dafür, dass diese Einmütigkeit verloren gehen könnte, zeigten sich in der Reaktion auf die Verabschiedung des Etats. Sollte Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin antreten, könnte es dazu kommen, dass der linke Teil der Demokraten ihr die Gefolgschaft verweigert. Vorgeworfen werden ihr die Nähe zu Wallstreet-Interessen, dass sie außenpolitisch zu den Falken gehört, ihr oft als anmaßend wahrgenommenes Wesen und auch ihre finanziellen Forderungen – für eine dreißigminütige Rede an der Universität von Kalifornien forderte und bekam sie dreihunderttausend Dollar. Sollte sie nicht antreten, werden die Demokraten voraussichtlich ihre Kandidaten im linken Spektrum der Partei suchen.  Der Demokratischen Partei würde das dazu verhelfen, künftig ihre traditionell sozialpolitischen Themen noch stärker zu profilieren. Ob es ihr dabei aber gelingt, die für Wahlen wichtige, sich aber meist konservativ verhaltende Mittelklasse, zu gewinnen, ist die große Frage.

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