Baby Boomers: eine Generation im Rentenalter

Der letzte Weltkrieg endete 1945. Die eigentlichen Gewinner des Krieges waren die Amerikaner. Deswegen waren sie auch besonders glücklich darüber, dass die Zeit der Entbehrungen zu Ende war und sie nachholen konnten, was in den Kriegsjahren zu kurz kam: unter anderem ihr Liebesleben. Es bekam einen ungeheuren Aufschwung und resultierte in dem, was später Baby Boom genannt wurde, nämlich das Ansteigen der Zahl neu geborener Babies.

Zwischen 1946 und 1964 wurden angeblich 76 Millionen Baby Boomer geboren. Sie wuchsen zu einer Generation heran, die im Jugendalter gegen alles protestierte, was der Generation ihrer Eltern, der ‚Stillen Generation‘, lieb und wert war. Es waren die sechziger Jahre, in denen die Baby Boomer die traditionellen Werte ablehnten und mit historisch einmaliger Radikalität neue Werte proklamierten. Eine antikapitalistische Gesellschaft wollten sie schaffen, in der materialistisches Streben keinen Platz mehr haben sollte. Auch ließen sie sich lange Haare wachsen, ließen sich öfters von Drogen inspirieren und trugen abenteuerliche Kleidung, an der man sie leicht erkannte.

Die überraschende Ironie besteht darin, dass diese Baby Boomer, die so idealistisch am Anfang ihres Lebensweges waren, sich im weiteren Verlauf zur wohlhabendsten Generation in der Geschichte Amerikas entwickelt haben. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Amerika außenpolitisch immer noch die Weltmacht Nr. 1. Der Durchschnittsamerikaner war immer noch weiß und es ging ihm wirtschaftlich gut. Er wurde richtig wohlhabend, konnte durch fleißige Arbeit und erfolgreiche Aktieninvestitionen unbesorgt dem Alter entgegensehen und in einer Luxusresidenz auf den Tod warten.

Sie, die eine neue Kultur geschaffen hatten, die den Beatles zujubelten, zu Rock and Roll tanzten, Freiheit in Politik und Gesellschaft forderten, freie Liebe zwischen den Geschlechtern proklamierten, keine Diskriminierung von Minderheiten duldeten – sie drehten sich um und wählten im Rentenalter Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Was war mit den Baby Boomer passiert? Zwei Antworten gibt es. Die eine begründet sich in der Angst, dass die seit 1945 anhaltende Blütezeit Amerikas zu Ende geht. Der Weltmachtstatus wird von China bedroht. Im Innern des Landes sehen sich die weißen Bürger von der Zunahme der farbigen Bevölkerung bedroht, die in wenigen Jahren die Weißen zur Minderheit reduzieren wird. Da erscheint ein Kandidat, der verspricht, Amerika international wieder zur dominierenden Weltmacht zu machen und im Innern wieder die alten Werte, die Werte des weißen Amerika, zu beleben.  Mit diesen Argumenten empfahl sich Trump den Baby Boomer als ihr Kandidat. Der andere Grund, warum die Baby Boomer Trump wählten, ist ganz einfach der: sie sind alt geworden. Wären sie noch belebt von der Gesinnung ihrer Jugendjahre, hätte Trump keine Chance gehabt.

Die letzten beiden Trump-Jahre waren geprägt von Protesten, Demonstrationen, Plünderungen und Terror auf den Straßen der großen Städte. Das weiße Amerika und das schwarze Amerika, Trump-Anhänger und Trump-Gegner bekämpften einander.

Ehemalige Hippies mit langen Haaren haben inzwischen die Haare teilweise verloren. Dafür haben sie an Körpergewicht beträchtlich gewonnen und sind Senioren geworden. In Deutschland würde man sie Rentner nennen.

Florida ist ein Staat, der wegen des schönen Wetters und der niedrigen Steuern die wohlhabenden Senioren aus dem ganzen Land anzieht. Die Immobilienbranche blüht. Senioren-Residenzen schießen wie Pilze aus dem Boden. Florida ist auch ein Staat von Trump-Anhängern. In manchen südwestlichen Gegenden gewann Trump einen Stimmenanteil von 99 Prozent.

Kein Wunder, dass treue Gefolgsleute wie die Boomer ihre Loyalität zu Trump und das von ihm repräsentierte Amerika beweisen wollten, indem auch sie zeitgemäß an den üblichen Aktionen teilnehmen wollten. Und so gingen die Senioren auf die Straße.

Die Demonstrationen waren auf die späten Nachmittagsstunden beschränkt, weil die Demonstranten am Vormittag wichtige Arzttermine hatten und nicht auf ihr gewohntes Schläfchen am frühen Nachmittag verzichten wollten. Trotz Einsatz von Rollatoren waren einige Marschierer doch schon bald ziemlich erschöpft, andere mussten nahe gelegene Toiletten aufsuchen. Es soll auch ein paar Demonstranten gegeben haben, die vergessen hatten, warum sie mitmarschierten und fragten, wohin denn die Wanderung ginge.

Die Demonstrationsmärsche endeten friedlich und früh am Abend, so dass die Senioren rechtzeitig zu ihrer gewohnten Schlafenszeit um 21 Uhr zu Hause waren. Dass sie sich zu einer solch ungewöhnlichen Aktion aufrafften, hängt sicher mit der Corona-Krise zusammen, die beliebte Unterhaltungsgelegenheiten verbot. Fitness-Centers, kleine Geschäfte, Theater und Bars waren geschlossen. Bingo, Kochkurse, Meditation-Gruppen gab es nicht mehr. Da musste Langeweile aufkommen. Eine Protestdemonstration erschien als willkommene Abwechselung. Es entstand der Wunsch, sie noch für einige Tage fortzusetzen. Ein Komitee wurde gegründet, das sich mit der Planung beschäftigen sollte. Doch als sich die Mitglieder trafen, konnten sie sich nicht mehr erinnern, warum sie sich trafen.

Positiv meldeten die Zeitungen, dass es zu keinem gewaltsamen Terror gekommen sei. Zwar gab es einige Plünderungen in ansonsten friedlichen Städten. Es wurde vorwiegend in Läden eingebrochen, die Vitamine, Brillen, Hörgeräte und Abführmittel verkaufen. Doch die Polizei hatte leichtes Spiel, die Übeltäter einzufangen, da diese mit ihren Rollatoren nicht schnell genug fliehen konnten.

Die Zeitungsberichte mögen in Details etwas übertrieben sein. Aber die Senioren-Demonstrationen für Trump haben wirklich stattgefunden.

Das ist das vorläufige Ende – denn noch leben viele von ihnen – der Baby Boomer. Das sind die Menschen, die sich in ihrer Jugend anschickten, Amerika zu verändern. Was ist daraus geworden?

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