Wer heutzutage nach einem längeren Aufenthalt in den USA nach Deutschland zurückkehrt, entgeht nicht den mit ironischem Lächeln gestellten Fragen, was man denn von Donald Trump, dem Präsidenten, hält, und wie verblödet die Amerikaner sein müssen, einen solchen Mann gewählt zu haben. Der habe doch nicht alle Tassen im Schrank. Recht haben sie mit dieser Aussage.
Die Frage jedoch, wie verrückt seine Wähler gewesen sein müssten, ist schwieriger zu beantworten. Die Alternative zu Trump war 2016 Hillary Clinton. Der Name „Clinton“ war durch die Vergangenheit belastet und hatte keinen guten Klang. Hillary selbst trug mit ihrem überheblichen Wesen dazu bei, dass viele zwischen den Parteien stehende unabhängige Wähler sich von ihr abgestoßen fühlten. Ihre Abneigung gegen Clinton beeinflusste die Entscheidung Trump zu wählen, nicht die Überzeugung, dass er qualifiziert, sondern das kleinere Übel sei.
Nach zwei Jahren im Amt erfreut sich Trump noch immer der Sympathie seiner republikanischen Kernwähler. Unbeirrt stehen sie hinter ihm, egal wie absurd, lächerlich und verlogen seine Verlautbarungen und Entscheidungen sind. Der Mann mit dem goldblonden Haar und dem orangefarbenen Makeup ist nach zwei Jahren Präsidentschaft noch immer auf Wahlkampagne und reißt seine Anhänger auf Massenkundgebungen zu frenetischer Zustimmung hin.
Statistisch hat Clinton die Mehrheit der Stimmen erhalten, doch dank des amerikanischen Wahlsystems, das Trump die Stimmenmehrheit der Wahlmänner einbrachte, hat er gewonnen.
Also, liebe Deutsche: Fragt nicht immer pauschalierend „Wie können die Amerikaner nur einen solchen Mann als Präsidenten ertragen?“ Fragt: Wie können seine Anhänger Trump die Treue wahren?“ Denn seine Gegner – und das ist die Mehrheit der Amerikaner – können ihn schon lange nicht mehr ertragen.
Um diese Frage zu beantworten, muss man untersuchen, aus welchen Gruppen der Bevölkerung sich Trumps Anhänger rekrutieren? Vereinfacht beantwortet lässt sich sagen: Es gibt drei Gruppen, die sich diese zweifelhafte Ehre teilen.
Da sind einmal jene, die von den Amerikanern selbst als die „Uneducated“, die Ungeblldeten, bezeichnet werden, also Menschen, die lediglich die Highschool – oder die vielleicht nicht einmal bis zum Ende besucht haben. Sie finden sich in abgelegenen ländlichen Gegenden, etwa die Farmer im Mittleren Westen, oder die Arbeiter in industriellen Zentren, die arbeitslos sind oder Angst haben, ihren Job zu verlieren als Folge von strukturellen Umbrüchen im sogenannten „rust belt“, d.h. in den Gebieten, wo ehemals florierende Industrien zu Erliegen gekommen sind. Ihnen hat der Wahlkämpfer Trump versprochen, brachliegende Industrien wieder zu neuem Leben zu erwecken und so neue Jobs zu schaffen. Diese Menschen haben nicht den Durchblick betreffs technologischer Entwicklungen und sind damit entschuldigt, wenn sie auf unrealistische Versprechen hereinfallen.
Die zweite Gruppe der Trump-Unterstützer besteht aus den „Evangelicals“. Die Evangelikalen sind extrem fromme Christen, die nicht nach einer symbolischen Bedeutung der in der Bibel geschilderten Ereignisse suchen, sondern die die Bibel total wörtlich verstehen. Damit stehen sie natürlich in krassem Widerspruch zum Lebensstil der modernen Gesellschaft, für die Religion keine allzu große Bedeutung hat oder zumindest eine nicht so fundamentalistische wie bei den Evangelikalen. Das zeigt sich nirgendwo deutlicher als an der Kontroverse bezüglich der Abtreibung.
Seit einem Grundsatzurteil von 1973 ist die Abtreibung legal und die amerikanische Gesellschaft unversöhnlich gespalten. Religiöse Abtreibungsgegner versuchen seitdem vergeblich, Abtreibungen zu verhindern, etwa durch Belagerung von Kliniken und oft gewaltsamer Bedrohung von Ärzten. Auch auf anderen Gebieten fühlen sich die Evangelikalen von der zunehmenden Säkularisierung des Lebens provoziert. Religiöse Neutralität in einem Staat, in dem Menschen der unterschiedlichsten Religionen leben, führte vor einigen Jahren dazu, dass statt „Merry Christmas“ (Frohe Weihnachten) die Wendung „Happy Holidays“ (Schöne Feiertage) eingeführt wurde. Die Evangelikalen waren wütend darüber, dass aus Rücksicht auf Nichtchristen das urchristliche Wesen Amerikas verleugnet würde. Dieser verderblichen Tendenz hin zu einem säkularen, unchristlichen Amerika wollen sie Widerstand leisten. Donald Trump versprach, dies zu tun.
Franklin Graham, einer der prominentesten Evangelikalen und Sohn des berühmten Billy Graham, ist einer der treuesten Unterstützer Trumps. Seine Begründung: „Trump verteidigt den christlichen Glauben“. (thehill.com – Nov. 25, 2018). Trumps schmutzigen Lebenswandel entschuldigt Graham damit, dass Trump sich bei seiner Frau entschuldigt habe und seitdem ein gewandelter Mensch sei. Wirklich wichtig für Evangelikale wie Graham aber ist, dass Trump versprochen hat, als Präsident solche Richter für den Obersten Gerichtshof zu ernennen, die wissen, wie sie in einem christlichen Land zu entscheiden haben, wenn der alte Prozess über die Legalität der Abtreibung wieder aufgerollt werde. Trump verkörpert für die Evangelikalen die Hoffnung auf die Wiederherstellung des alten christlichen Amerikas.
Bei der Bewertung der evangelikalen Bewegung darf ein Aspekt nicht übersehen werden. Ihr Kampf für die konservativen Werte Amerikas, ihr Kampf für die Einhaltung der Verfassung und die Berufung auf die Gründerväter der Nation vermischt auf gefährliche Weise religiöse mit nationalen Ideen. „Make America great again“ – Trumpf Schlachtruf verspricht den religiösen Nationalisten, dass mit der Wiederherstellung des alten christlichen Amerikas gleichzeitig auch die alte Größe der Nation verwirklicht werde. Man glaubt, dass dies nicht nur mit demokratischen Mitteln gelingen kann. Ein Autokrat hat größere Erfolgschancen. Und so verzeiht die christliche Rechte Trump nicht nur seinen arroganten, autoritären, patriarchalischen Stil, sondern sie sieht in ihm ein Zeichen, dass Trump nicht nur von Menschen gewählt, sondern von Gott erwählt wurde, Amerika wieder groß und christlich zu machen. Die amerikanische Version des Christentums wird so zu einer amerikanischen Form des Nationalismus. Ein beredtes Zeugnis dafür ist der Film „The Trump Prophecy“ von 2018, in dem ein Feuerwehrmann von Gott die Botschaft vom tiefen Wandel der Nation erhält.
Bleibt noch die letzte große Gruppe der Trump-Unterstützer. Das sind die Aktionäre, die Bankers, die Korporationen, die CEOs, die Golfclub-Mitglieder – zusammengefasst also: die Wohlhabenden und Reichen zu denen Trump selber auch gehört. Für sie ist Trump der Garant dafür, dass ihnen ihr Reichtum nicht nur erhalten bleibt, sondern sich noch vergrößert. Die Steuerreform, das einzige Wahlversprechen Trumps, das er dank der republikanischen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses gegen den Willen der Demokraten einhalten konnte, bringt der finanziellen Unterklasse kaum Steuererleichterungen, wohl aber der finanziellen Oberklasse. Von den Steuererniedrigungen profitierten vor allem die großen Korporationen. Aber statt die Ersparnisse für die Erhöhung von Lohnzahlungen oder Investments zu Wachstumszecken zu verwenden, nutzten sie sie für Aktienrückkäufe. „ Das überwältigende Resultat der Steuererniedrigung ist der große Vorteil für die Korporationen. Und mit Sicherheit hat sie die meisten Amerikaner ärmer gemacht. 84 Prozent der Aktien sind in Händen der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung. Alle anderen haben kaum einen Vorteil davon.“ So die Analyse des Nobelpreisträger Paul Krugman (New York Times, 1. Januar 2019). Verrücktheit oder Dummheit kann man diesen Wählern Trumps nicht vorwerfen. Sie sind intelligent genug, die Verrücktheiten ihres Präsidenten zu erkennen. Aber warum sollten sie nicht einen zum Präsidenten wählen, der ihren eigenen Interessen dient? Ihr Bankkonto ist ihnen wichtiger als das Wohlergehen ihres Landes.
Welche Prognose ergibt sich für den Wahlausgang 2020? Mit Sicherheit darf man annehmen, dass die Wähler der beiden Gruppen, Evangelikale und Reiche, Trump, falls er noch einmal antritt, ihre Stimme geben werden. Auch wenn man die vielen Charakterfehler dieses Mannes erkennt, haben diese Wähler ebenso viele gute Gründe, ihn wieder im Amt zu bestätigen.
Eine Neubewertung des Präsidenten Trump kann lediglich aus der Gruppe der „Uneducated“, der Ungebildeten, der im Agrarsektor Tätigen, und der Angehörigen der Arbeiterklasse, die schon arbeitslos sind oder den bevorstehenden Verlust des Arbeitsplatzes befürchten, erwartet werden. Die durch den Handelskrieg mit China geschädigten Landwirte werden zur Zeit noch mit Subventionen bei guter Laune gehalten. Das könnte sich ändern, wenn China stärker auf die Einfuhrsanktionen der USA reagiert und immer geringere landwirtschaftliche Produkte aus den USA bezieht und dann das amerikanische Budget-Defizit keine weiteren Subventionen zulässt. Auch die Arbeiter, die von Trump erhofft haben, dass er den Kohlebergbau wiederbelebt, könnten aufwachen und realisieren, dass das Zeitalter der Kohleindustrie vorbei ist.
Es besteht also die Hoffnung, dass auch weniger Gebildete oder an Politik nicht interessierte Menschen erkennen, dass sie angeschmiert wurden, wenn die Folgen ihrer falschen Entscheidung das eigene Leben schmerzhaft beeinträchtigen. Besonders der in der Geschichte der USA längste Stillstand der Regierung, der verhindert, dass 800.000 Regierungsangestellte kein Gehalt ausgezahlt bekommen und Farmer nicht die versprochenen Subventionen erhalten, könnte dazu beitragen, bei den nächsten Wahlen ein Umdenken auch bei republikanischen Wählern zu bewirken. Wähler, die Trump trotz allem treu bleiben