Mehr Steuergelder ins öffentliche Schulsystem zu stecken, führt nicht zur Verbesserung der Schulen. Das ist beinahe eine landläufige Meinung. Besonders stark vertreten wird diese Meinung von amerikanischen Republikanern, weil sie grundsätzlich gegen die dafür notwendigen Steuererhöhungen sind. Widerlegt wird diese Meinung allerdings durch eine Untersuchung der Ökonomen C. Kirabo Jackson, Rucker Johnson und Claudia Persico. Sie untersuchten die Zeitspanne von 1955 bis zum Jahr 1985, dem Jahr, in dem die Gerichte die Regierungen verurteilten, mehr Geld für Schulen vom Kindergarten angefangen bis zur 12. Klasse auszugeben. Dann beobachteten sie, wie sich die Schüler von 1985 bis 2011 entwickelten, also in der Zeitspanne, da mehr Geld zur Verfügung stand. Das Ergebnis war, dass Schüler während dieser Zeit in die Lage versetzt wurden, 7,25 Prozent höhere Löhne zu verdienen und kaum in Gefahr kamen, einmal in Armut zu geraten.
Ein Problem für einen unternehmerisch tätigen Konservativen ergibt sich dadurch, dass die Ökonomen auch festgestellt hatten, dass die Vorteile der erhöhten Ausgaben für arme Kinder sehr viel größer sind als für wohlhabende Kinder. Der wohlhabende Konservative ist erstens – wie schon gesagt – grundsätzlich gegen Steuererhöhung, und zweitens fragt er, aus welchem Grund ausgerechnet er für die Ausbildung eines armen Kindes bezahlen soll. Oder anders gefragt: Warum soll eine Person die Kosten tragen für etwas, wovon ein anderer profitiert? Mehrere Gründe ließen sich dafür anführen, zum Beispiel die Überzeugung vom Wert der Gleichheit aller Menschen oder einfach ein Gefühl mitmenschlicher Sympathie, von christlicher Nächstenliebe ganz zu schweigen.
Aber diese Gründe wären für einen Menschen mit der Philosophie “Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied – und warum soll ich verantwortlich sein für das Glück eines anderen“ nicht so überzeugend wie die Antworten des Volkswirtschaftlers Noah Smith, der mit kapitalistischer Logik antwortet.
Dieser Volkswirtschaftler weist den der oberen Einkommensklasse angehörenden Amerikaner auf die direkten Vorteile hin: „Wenn arme Amerikaner bessere Arbeiter werden, erhöhen sich nicht nur ihre Löhne, es erhöht auch den Profit der Unternehmen, für die sie arbeiten.“ Und wenn sich die Produktivität der Arbeiter erhöht, gingen auch die Aktien des Unternehmens in die Höhe, was wiederum einen Vorteil für den Unternehmer biete, wenn er – was anzunehmen ist – außer Unternehmer auch noch Aktionär ist.
Aber eine besser ausgebildete Arbeiterschaft biete noch größere, wenn auch indirekte, Vorteile, findet Smith. Mehr Unternehmen könnten dann ihre Produktionsstätten von China in die USA verlegen und amerikanische Arbeiter einstellen. Das würde die regionale Wirtschaft fördern und die Profite der Geschäfte erhöhen. Das würde wiederum den Wert des Aktienpakets steigern.
Sollte der ideenreiche Entrepreneur ein eigenes Unternehmen leiten, so gibt Smith ihm den volkswirtschaftlichen Rat, billige Angestellte einzustellen. Wenn diese etwas besser lesen oder einfache Rechenaufgaben ausführen könnten, wären sie im Ganzen produktiver. Damit würden sie ihm, dem Unternehmer, Zeit und Geld sparen, das er benötigte, um ihre Fehler zu korrigieren.
Dann gibt Smith dem wohlhabenden Amerikaner zu bedenken, dass gebildete Menschen zu einer zivileren Gesellschaft führen. In einer solchen Gesellschaft könne er ohne Angst vor Überfällen durch die Straßen in einer armen Gegend gehen. Die Ökonomen Lance Lochner und Enrico Moretti hätten 2003 herausgefunden, dass bessere Ausbildung die Kriminalität reduziere. „Die bessere Ausbildung führt nämlich zu höheren Löhnen für arme Leute und verringert deren Motiv, Verbrechen zu begehen.“
Amerikanische Konservative haben traditionell ein Misstrauen gegenüber Gewerkschaften. So sehen sie die Mehrausgaben für das Erziehungswesen als Verschwendung, da sie von gierigen Lehrergewerkschaften lediglich zur Erhöhung der Lehrergehälter verwendet würden. Andere Länder, so sagen sie, würden weniger als die USA für das Schulwesen ausgeben. Aber Noah Smith erinnert sie an eine Tatsache, die patriotische, wohlhabende Amerikaner, gern ignorieren: „In den Vereinigten Staaten gibt es mehr Ungleichheit und mehr arme Leute als in diesen Ländern.“
Warum also sollte ein wohlhabender Amerikaner, der grundsätzlich nicht einsieht, warum er Kosten für andere übernehmen soll, doch Steuererhöhungen für die öffentlichen Schulen akzeptieren? Die kapitalistische Antwort lautet ganz einfach: Sie sind eine gute Investition. Langfristig bringen sie ihm Profitmaximierung und sonstige Vorteile.
Ein Glück, möchte man in diesem Fall sagen. Doch es erhebt sich die Frage: Was geschieht in anderen Fällen, wenn Hilfe und Sorge für einen Bedürftigen nicht mit einem Profit belohnt werden?
(Noah Smith, Spending on public education proves well worth investment, Bloomberg News and Naples Daily News, 24.1.2015)