Amerikanische Präsidentschaftswahl 2024: Trump oder Biden?

Die Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November 2024 ist die sechzigste seit der ersten im Jahre 1788. Der Wahltag wurde 1845 vom Kongress auf den ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November gelegt. Die beiden Parteien, die republikanische und die demokratische, werden ihre Kandidaten im Sommer nächsten Jahres nominieren. Für die Republikaner haben sich schon einige Kandidaten gemeldet und sind in Debatten gegeneinander aufgetreten, allerding ohne Donald Trump, den ehemaligen Präsidenten, der es nicht für nötig hält, seine Positionen zu verteidigen und der sich sicher ist, dass er von seiner Partei nominiert werden wird. Umfragen im November haben ergeben, dass seine Zustimmungsrate die von Joe Biden, dem jetzigen Präsidenten und einzigen Kandidaten der Demokraten, übertrifft.

Biden ist im November 81 Jahre alt geworden. Selbst in seiner eigenen Partei gibt es Stimmen, die daran zweifeln, ob er trotz seines Alters den Anforderungen eines Präsidenten gewachsen sein wird. Dass er dennoch antritt, bedeutet für ihn und seine Partei ein großes Risiko.

Obwohl mehrere Kandidaten der Republikaner sich um die Nominierung für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr bewerben, gibt es kaum noch Zweifel in der Öffentlichkeit, dass der ehemalige Präsident Donald Trump die Nominierung seiner Partei erhalten wird. Trump selber ist sich dessen so sicher, dass er es nicht für nötig hält, sich an den Debatten seiner Mitbewerber zu beteiligen. Dem Verlierer der letzten Wahl ist es gelungen, einen großen Teil der Republikaner für sich und seine „Bewegung“ – so seine Bezeichnung – zu gewinnen. Diese Bewegung ist im Grunde ein Kult, und Trump ist für ihre Mitglieder eine Kultfigur, die man verehrt und bewundert, und für die man im Extremfall sogar zu kriminellen Gewalthandlungen bereit ist – wie der Sturm aufs Capitol am 6. Januar 2021 beweist. Trump ist sich der Treue seiner Anhänger absolut sicher. Er kann es sich leisten, auf Wahlkampfveranstaltung zu sagen, dass er in New York auf der 5. Avenue jemanden erschießen könne, ohne auch nur einen einzigen Wähler zu verlieren. Trump hat seinem Kult den Namen „MAGA“ – Make America Great Again – gegeben.

In der Presse wird von vielen Vorfällen berichtet, bei denen sich Trump als Rassist, Frauenfeind, Lügner und Betrüger gezeigt hat. Psychologen charakterisieren ihn als narzisstisch, hedonistisch und größenwahnsinnig. Manche gehen so weit, ein Verhalten zu erkennen, dass an krankhaften Wahnsinn grenzt. Ein Harvard-Psychiater sieht Trump als: „wütend, grandios, rachsüchtig, impulsiv, ohne Empathie, angeberisch, Gewalt schürend und dünnhäutig. Zeitweise scheint es, dass er sich oder seine hasserfüllte Rede nicht kontrollieren kann. Man muss sich fragen, ob das nicht alles die Vorzeichen einer erheblichen Degeneration der Verfasstheit seines Charakters sind (Leonard L. Glass, in Thomas Edsall, The Roots of Trump’s Rage. NYT 22.11. 2023).

Trump hat als Geschäftsmann schon viele Gerichtsverfahren hinter sich gebracht, manche als Gewinner, manche als Verlierer. Es wird gesagt, er habe das Prozessführen zu seiner Geschäftsstrategie gemacht. Jetzt ist sein Kalender gefüllt mit Gerichtsterminen, bei denen er sich wieder gegen diverse Anklagen verteidigen muss.

Der Übersicht und Klarheit halber hier eine Zusammenstellung der Anklagen:

Seit Oktober: Laufende Gerichtsverhandlung wegen Bankbetrugs, Übertreibung der Höhe seines Vermögens, um Kredite zu bekommen, u.a. von der Deutschen Bank.

15. Januar: Verleumdungsklage, erhoben von E. Jean Carroll wegen Trumps Kommentaren zu dem vorangegangenen Prozess wegen Vergewaltigung, bei dem sie fünf Millionen zugesprochen bekam.

1. März: Endgültige Festsetzung des Datums für die Verhandlung betreffs Nichtherausgabe von Geheimdokumenten. Trump wünscht als Termin einen Zeitpunkt nach den Wahlen am 5. November 2024.

4. März: Versuch eines Wahlbetrugs. Behauptung, Biden habe durch Manipulation den Wahlsieg gestohlen und sei nicht legitimer Präsident.

25. März: Geldzahlung an Pornodarstellerin Stormy Daniels, um ihr Schweigen vor der Wahl zu erkaufen.

5. August: Verstoß gegen Konspirationsgesetze des Staates Georgia. Telefonischer Versuch den Wahlleiter zu erpressen, gefälschte Wählerstimmen zu finden.

Es streiten sich nun die Historiker und Juristen um die Frage, ob Trump sich überhaupt als möglicherweise strafrechtlich Verurteilter um die Präsidentschaft bewerben darf.

Trump hat aber schon Pläne, wie er seine Präsidentschaft gestalten wird, und er hat sogar die Unverfrorenheit, sie laut in die Welt zu posaunen. In seiner ersten Wahlkampfrede versprach er seinen Anhängern, er werde für sie Vergeltung einfordern („I am your retribution“), und später gelobte er, das Justizministerium zur Verfolgung seiner politischen Gegner zu benutzen und dabei mit Biden und seiner Familie zu beginnen. Trumps persönliche Ratgeber und finanzielle Unterstützer haben Listen mit loyalem Personal angelegt und ein gesetzliches Grundgerüst für eine zweite Amtszeit Trumps entworfen. Es soll ihm möglich machen, mit Hilfe des Justizministeriums Rache an seinen politischen Gegner zu nehmen. Ein von ihm persönlich ernannter Staatsanwalt solle die spezielle Aufgabe haben, Präsident Biden und dessen Familie anzuklagen („ a real special prosecuter to go after Biden and his family“).

Der Einsatz von Bundestruppen zur Strafverfolgung im Inland ist generell ungesetzlich und nur im Ausnahmefall eines großen Aufruhrs erlaubt (Posse Comitatus Act). Noch als Präsident wollte Trump die Proteste anlässlich des von einem Polizisten verursachten Todes eines Schwarzen zum Anlass nehmen, das Militär einzusetzen. Damals gelang es seinen Beratern noch, ihn davon abzuhalten. Bei einer erneuten Präsidentschaft würde ihnen das nicht mehr gelingen.

Trump und seine Helfershelfer beabsichtigen, größere Kontrolle über die Bundesbehörden und ihr Personal zu gewinnen. Zu diesem Zweck sollen beamtenrechtliche Bestimmungen, die Regierungsbeamte vor Willkür schützen, so geändert werden, dass es Trump, möglich sein wird, ihm nicht treu ergebene Beamten zu entlassen und durch loyale zu ersetzen. Das wäre ein weitere Schritt zu Abschaffung der Demokratie. Die Gründerväter haben in kluger Voraussicht ins Grundgesetz geschrieben, dass Regierungsangestellte ihren Treueeid nicht auf den Präsidenten, sondern auf die Verfassung leisten müssen.

Es gibt unzählige Gründe, inwiefern eine erneute Präsidentschaft Trumps eine ernste Gefährdung der amerikanischen Demokratie bedeuten würde. Und obwohl Trump kein Geheimnis aus seinen Plänen macht, gibt es immer noch Menschen, die die Gefahr nicht erkennen. Eine von der Newyork Times und dem Siena College im November veranstaltete Umfrage hat ergeben, dass Trump in fünf von sechs entscheidenden Staaten – Amerikaner nennen sie Battleground States oder Swing States – in der Zustimmungsrate vor Biden liegt. In solchen Staaten ist der Anteil von Republikaner und Demokraten

ziemlich gleich. Daher ist der Gewinn von einer Mehrheit der Wählerstimmen in einem solchen Staat für den nominierten Kandidaten ein gutes Vorzeichen.

Warum Biden gegenüber Trump ins Hintertreffen geraten ist, ist kaum verständlich. Biden hat die Covid-Krise unter Kontrolle gebracht, hat die Chips-Technologie gefördert, bekämpft den Klimawandel und initiiert Verhandlungen zur Reduzierung verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Die Wirtschaft funktioniert recht gut, die Arbeitslosigkeit ist auf einem tiefen Stand, Löhne steigen und die Inflation geht zurück. Bidenomics, wie Bidens Wirtschaftspolitik genannt wird, ist eigentlich erfolgreich, auch wenn ihr Erfolg nicht allenthalben anerkannt wird. Vor allem: Biden ist ein Präsident, der die wichtigste Bedingung erfüllt hat, für die er gewählt wurde: Er hat das Land, das von Trump ins Chaos gestürzt wurde, zur Normalität zurückgeführt. Die Wahl zwischen Trump, der das Land und seine Regierungsform verändern will, und Biden, der Stabilität repräsentiert, müsste nach allem, was von Trump bekannt ist, eigentlich nicht schwerfallen.

Und dennoch wird der eine nicht bestraft und der andere nicht belohnt. Daher ist das Umfrageergebnis für viele Menschen, die sich ernsthaft, für Politik interessieren, enttäuschend.

Viele Kommentatoren bemühen sich, das Rätsel zu lösen. So vermutet Charles M. Blow, dass viele Wähler meinen, dass Trump doch nicht „so schlecht gewesen ist und was er im Amt getan hat, wird zunehmend als positiv erinnert, eingeschlossen das Aufrütteln des Washington-Establishments und des politischen Status Quo. Für jene, die Vertrauen in die Regierung ganz allgemein verloren haben, könnte das attraktiv sein: Die albtraumartigen Trump-Tage werden in halkyonische verwandelt (Charles M. Blow, The Trump Isn’t So Bad’s Mind-Set, NYT, 29. 11. 2023).

Auch wenn die Wirtschaft sich – objektiv gesehen – positiv entwickelt hat, bedeutet das nicht, dass der individuelle Bürger das so sieht. Was er sieht, ist, dass die Preise für Nahrungsmittel, Mieten und Benzin immer noch hoch sind, die Inflation zwar abnimmt, aber immer noch nicht den Kauf eines Hauses für viele möglich macht.

Entscheidend ist nicht der objektive Erfolg, entscheidend ist, wie die Mehrheit der Bürger die ökonomische Situation einschätzen – und das tun sie nicht sehr positiv.

Zwar wird der Wahlausgang einerseits vom Wettstreit der beiden von ihren Parteien nominierten Kandidaten bestimmt. Aber ausschlaggebend sind sie nicht allein, das Image, das ihre Partei in der Öffentlichkeit hat, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

In den letzten Jahren kam es zum Zusammenstoß von zwei kulturellen Trends, für die die beiden Parteien repräsentativ sind. Progressive, linksliberale Anschauungen der Demokratischen Partei lösten eine Gegenreaktion bei der Republikanischen Partei aus, so dass sich ein kultureller Kampf entwickelte, der das Land zu zerreißen droht. Gründe dafür sind eine demoskopische Verschiebung der Wählerschaft. Lange Zeit galt die Demokratische Partei als die Partei der Arbeiterklasse. Das hat sich in den letzten drei Jahrzehnten geändert mit der Zunahme von Menschen, die eine College-Bildung erworben haben. Diese Menschen waren auf Grund ihrer Ausbildung finanziell besser gestellt und eher geneigt, sich vom sozialen Konservatismus loszusagen und die liberale Demokratische Partei zu wählen. Sie konnten es sich auch leisten, nicht nur nach ökonomischem Selbstinteresse zu wählen, sondern sich für die Durchsetzung sozialer und kultureller Werte einzusetzen. Das führte zum Konflikt zwischen konservativen Anschauungen der Republikaner und liberalen Anschauungen der Demokraten. Unversöhnlich stehen sich die Parteien gegenüber in Fragen betreffs Waffentragen, Umweltmaßnahmen, Immigration, Sexualität, Kriminalität, Sozialprogrammen, Rasse und vielem anderen. Die republikanische Durchsetzung

des gesetzlichen Abtreibungsverbots dürfte sich als Vorteil für die Demokraten erweisen, weil die große Mehrheit der weiblichen Wählerschaft sich von dieser Gesetzesänderung brüskiert fühlt. Zwar entscheidet sich die Arbeiterklasse seit den 1980 Jahren zunehmend für die Republikaner, aber gleichzeitig wählen die reichsten Amerikaner die Republikanische Partei. Konservativ wie sie sind, wollen sie ihren Reichtum nicht von progressiven Veränderungen bedroht sehen. Mitglieder christlicher Kirchen neigen zur Republikanischen Partei, da für Demokraten Religion eine geringere Rolle spielt. Wie wählen rassische Minderheiten? Schwarze Amerikaner fühlen sich besser vertreten durch die Demokratische Partei, während Latinos mehr zu den Republikaner neigen. Fazit: Wenn der amerikanische Wähler sich bei seiner Entscheidung nicht vom jeweiligen Präsidentschaftskandidaten beeinflussen lässt, sondern die Partei wählt, von der er sich die beste Vertretung seiner Interessen erwartet, ist eine Vorhersage des Wahlausgangs pure Spekulation.

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